Marlis Gräfe, 24. 9. 1987, Buchenwald, Germany

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Location Buchenwald, Germany
Date 24. 9. 1987
Length 06:54

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Was sagen Sie zu Ihren jungen Leuten über das, was hier passiert ist im Zweiten Weltkrieg?

Zu uns kommen sehr viele junge Gäste aus vielen Ländern dieser Welt und ich sage unseren jungen Gästen, wenn sie hierherkommen, dass in diesem Lager von deutschen Faschisten Grausamkeit, Unmenschlichkeit, Terror verübt wurde. Ich sage ihnen aber auch, dass in diesem Lager von Menschen diesem Terror tiefste Humanität entgegengesetzt wurde. Dass sich in diesem Lager Menschen unterschiedlicher Länder, verschiedener Glaubensrichtungen, der unterschiedlichsten Parteizugehörigkeiten zusammenschlossen, um gemeinsam den Kampf ums Leben zu führen. Und sie konnten in diesem Kampf auch die Sieger sein. Unter schweren Opfern.

Und was sagen Sie zu diesen Leuten über das, was passierte im Zweiten Weltkrieg als deutsche Geschichte, als Teil der deutschen Geschichte?

In Bezug auf diese Konzentrationslager? Ich sage, dass diese Lager mit Notwendigkeit für die deutschen Faschisten entstanden, das heißt, sie richteten diese Lager ein, um zunächst den Krieg nach innen zu führen gegen die eigenen potentiellen Gegner, das heißt Gegner des Faschismus, also Antifaschisten. Dass in diese Lager Tausende Kommunisten, Sozialdemokraten, auch Christen verschleppt wurden, um sie mundtot zu machen, um sie aus der Gesellschaft zu isolieren, in diesen Lagern zu konzentrieren und zu vernichten. Ich sage aber auch, dass unter dem Begriff „undeutsch“ hier die unterschiedlichsten Menschen hergebracht wurden, auch Berufsverbrecher, Asoziale, Bibelforscher, Homosexuelle, die unterschiedlichsten Menschen, die hier auf engstem Raum zusammengepfercht dem Terror, der Willkür der Faschisten ausgesetzt waren.

Gibt es nicht ein Problem, zu sagen „die DDR ist das gute antifaschistische Deutschland“ und es gibt die andere Bundesrepublik, das schlechte Deutschland mit der schwierigen, der deutschen Geschichte, dieser schlechten Geschichte?

Das Problem ist nicht die Tatsache, dass zwei deutsche Staaten bestehen, sondern das Problem ist, wie wurde diese Geschichte in diesen beiden deutschen Staaten verarbeitet. Und ich bin nicht der Meinung, dass man eine solche Geschichte - sie ist deutsche Geschichte - durch Verdrängen und durch Vergessen einfach ins Abseits schieben kann. Es ist wichtig und es ist wesentlich, den jungen Menschen klarzumachen, dass die Lehren aus dieser Geschichte gezogen werden müssen. Dass also grundsätzlich mit Wurzeln, mit Möglichkeiten, Faschismus wieder aufzubauen erst einmal abgerechnet werden muss. Das also über demokratische Reformen zum Beispiel. Auch eine wichtige Wurzel ökonomisch beseitigt wird - nämlich der Besitz an den wichtigsten Produktionsmitteln, der in Volkseigentum übergeht. Es ist wichtig - vor allem auch ideologisch - diese Frage zu verarbeiten. Es ist wichtig, auch diese Frage gesetzlich - vom Gesetz her zu verarbeiten. Und es ist nachzuvollziehen, dass also mit Kriegsverbrechern, mit Nazi- und Kriegsverbrechern auch der Prozess geführt werden muss. In der Geschichte beider Staaten ist hier unterschiedlich verfahren worden. Und es wurden auch Urteile zum Beispiel im Dachauer Prozess, die sich nun konkret wieder auf Buchenwald beziehen, ausgesprochen von Amerikanischen Militärgerichten, doch nicht mit aller Konsequenz auch ausgeführt.

Die DDR erklärt das Museum als neuen Beginn nach dem Faschismus. Aber heute haben wir eine Rehabilitierung der preußischen Geschichte von Frederick (Friedrich der Große) bis Bismarck und preußische Geschichte meint Militarismus. Wie kann man preußische Geschichte rehabilitieren und sagen, wir haben nichts zu tun mit dieser schlechten Seite der deutschen Geschichte?

Ich sehe die Tatsache nicht als Rehabilitierung des Preußentums und des Militarismus als solchen, denn Sie nennen, Friedrich, der nicht nur dadurch bekannt wurde. Die preußische Geschichte und damit diese Geschichte hat auch andere Seiten in Fragen Bildung, in Fragen Fortschritt und es ist wichtig, diese Tradition auch aufzubewahren und weiterzuführen. Dass in dieser Frage mit der Entwicklung auch neue Erkenntnisse und somit also auch, wenn Sie so sagen, dieses Denkmal, wenn wir mal dieses Beispiel nehmen wollen, in Berlin, wiedererrichtet wurde, darin sehe ich eigentlich eine sehr schöne, eine sehr gute Tatsache. Eben die Geschichte aufzubereiten, eben die Geschichte weiterzuführen, aber nicht den Militarismus auf dieser Frage.
 

Marlis Gräfe (.)

Marlis Gräfe

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