Heike Grochel, 30. 9. 1987, Berlin, Germany

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Location Berlin, Germany
Date 30. 9. 1987
Length 10:16

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Was ist die, warum existiert die FDJ in der DDR?

Die FDJ ist eine Jugendorganisation in der DDR, die die Ziele der Partei, der SED, also praktisch in der Schule an Kinder weitergeben soll. Es wird also angefangen, die Kinder halt mit den Zielen vertraut zu machen und mit der Arbeit der Partei und das natürlich nicht im großen Umfeld, sondern eben auf Schule programmiert und es werden eben, also Ziele rausgegeben, wo dann eben in der Schule darüber gesprochen wird, wo über aktuelle Themen in der Zeitung berichtet wird, in der Schule diskutiert wird und man will in Erfahrung bringen, eben auch, was die Schüler denken oder Einfluss eben darauf nehmen, auf bestimmte Meinungen oder hören überhaupt, wie die Meinung in der Klasse zum Beispiel existiert.

Und was ist in dieser Arbeit die Rolle des FDJ-Sekretärs, Sie haben das gemacht. Was ist das?

Ich habe selbst als FDJ-Sekretärin gearbeitet. Es ist in der DDR so, dass es in jeder Klasse eine FDJ - also alle Schüler oder die meisten Schüler sind in der FDJ und dann gibt es eine FDJ-Leitung der Klasse, so dass also drei, vier Schüler der Klasse dann eine Funktion bekommen und der FDJ-Sekretär ist so etwas ähnliches wie ein Klassensprecher, der also die Klasse vertritt gegenüber der FDJ-Organisation der Schule und dem ganz großen Komplexen halt der FDJ. Also es werden also Fragen an die Klasse gestellt oder es werden irgendwelche Zielsetzungen an den FDJ-Sekretär gegeben und ich habe praktisch die Funktion, es an die Schüler weiterzugeben - das zu organisieren, Veranstaltungen zum Beispiel zu organisieren oder Absprachen mit den Lehrern zu treffen. Das ist also das, was ich halt machen muss und die Schüler kommen halt eben zu mir als FDJ-Sekretär und sprechen mit mir darüber. Und dann gibt es eben andere, die, der eine ist eben Schriftführer oder Agitator, der eben Zeitungen auswertet und eine Wandzeitung vielleicht zusammenstellt mit Zeitungsartikeln und wo auch darüber gesprochen wird. Und es gibt also verschiedene Funktionen.

Wieviel wird der Schüler und werden die Lehrer von der Partei, von der SED kontrolliert?

Die Lehrer sind alle kontrolliert von der SED, es gibt also zum Beispiel Parteiversammlungen in den Schulen für die Angestellten, das Gleiche passiert also auch in den Betrieben, es passiert also auch in den Kindertagesstätten, im Kindergarten oder in der Kinderkrippe. Wenn man nicht Parteimitglied ist, dann muss man nicht an diesen Veranstaltungen teilnehmen, aber es wird gewünscht, dass man dabei ist, weil bestimmte Ziele in der Arbeit und so weiter eben dort auch besprochen werden und auch über politische Themen diskutiert wird mit den Leuten. Und da bekommt der eine oder andere vielleicht einen Auftrag und muss eben einen Vortrag halten oder eben über bestimmte Sachen halt sprechen. Und über die Arbeit wird auf jeden Fall immer in der Schule und im Kindergarten mit den Erziehern gesprochen und es gibt also einen Bildungs- und Erziehungsplan im Kindergarten und in der Schule existiert ein Lehrplan, nach dem die Lehrer also arbeiten müssen. Da sind, stehen Ziele drin, die wichtig sind, den Kindern zu vermitteln, also innerhalb eines Jahres oder in welcher Altersstufe die Kinder eben einen bestimmten Wissensstand erreicht haben müssen.

Und wie ist es - muss man in die Partei gehen, wenn man ein Lehrer, Lehrer oder Lehrerin sein möchte? Oder ist das freiwillig? Und ist das beispielsweise beim FDGB auch?

Ja - also ich - es ist irgendwo freiwillig, wir haben immer gesagt, es ist ein freiwilliger Zwang. Im Grunde genommen wird man dahin gedrängt, weil man immer und immer wieder gefragt wird oder auch teilweise unter Druck gesetzt wird. Es wird also auf jeden Fall gern angesehen, wenn man in der Partei ist. Also im FDGB sollte man auf jeden Fall sein. Das wird also auf jeden Fall angestrebt. Weil - man soll ja eine Vorbildwirkung haben, man soll ja als Erzieher den Kindern als Vorbild vorausgehen oder auch gleichzeitig eben für die Eltern. Und deshalb ist es eben wichtig, dass man in der Partei ist oder im FDGB.

Und was ist bei Ihnen?

Ich bin nicht Mitglied im FDGB gewesen, das ist der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund und an mich wurde mehrmals die Frage gestellt, warum ich dort nicht reingehen will, es wurden Aussprachen mit mir geführt und es wurde mir auch gesagt, wenn ich also nicht in den FDGB eintrete, dass ich also mit Problemen zu rechnen hätte und dass mein Anerkennungsjahr nach meiner Ausbildung im Kindergarten nicht anerkannt werden würde, wenn ich eben nicht in den FDGB eintrete.

Jetzt arbeiten Sie ein bisschen hier mit der Gesellschaft für Menschenrechte. Was sind die größten Probleme für Menschenrechte in der DDR?

Ich bin Mitglied in der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte und wir betreuen Personen und Familien, die, also, an uns herantreten mit der Bitte aus..., also sie wollen eben ausreisen und wir helfen diesen Familien, indem wir hier die zuständigen Behörden anschreiben und diese Menschen also erstmal mit ihren Daten und so weiter hier, also auch melden, denn, wenn unsere Regierung nicht Bescheid weiß, dann weiß man ja eben nicht, dass da jemand ausreisen will und wir kümmern uns eben auch darum, dass eben Päckchen geschickt werden, weil viele eben ihre Arbeit verlieren oder sehr wenig eben verdienen und eben Kinder haben und eben dann doch Schwierigkeiten haben, sich halt im Monat halt eben zu leben und da unterstützen wir das eben durch Päckchensendungen und eben viele Probleme sind eben, dass man nicht weiß, wann man ausreisen kann, also diese Ungewissheit. Man hat den Ausreiseantrag gestellt und muss praktisch warten, man ist auf die Entscheidung ja des Staates angewiesen oder der Polizei. Und, man muss halt jetzt also mit Hausdurchsuchungen rechnen oder dass die Polizei nach Hause kommt oder man muss eben zu mehreren Gesprächen auch hingehen und dort eben Stellung beziehen, warum man ausreisen will und so weiter - man muss also Gründe nennen und es kann eben auch sein, dass man ins Gefängnis gehen muss, dass einem die Kinder weggenommen werden, ins Heim kommen. Also das sind alles Sachen, die eben passieren und vorkommen.

Können Sie mir ein bisschen das tägliche Leben in der DDR erklären, also wie ist die - was meinen die Leute von dieser Kontrolle? Sind sie sehr - ist es sehr öffentlich, dass es diese Kontrolle gibt und man kann nicht reden oder was?

Es ist öffentlich, dass man kontrolliert wird, also den Leuten ist es bekannt, man merkt es, man spürt es im ganzen Leben – ob man arbeitet, ob man in die Schule geht und man ist eigentlich sehr unzufrieden mit seinem Leben. Man weiß auch nicht, wie man das ändern soll, man hat auch Angst, etwas darüber zu sagen. Man kann nicht einfach draußen sich irgendwo hinstellen und mit Leuten, also offen diskutieren oder so, das ist also sehr schwierig und das macht man meistens eben, dass man sich eben zurückzieht, in sein eigenes Haus eben zurückzieht und eben auch kaum weggeht, weil man so unzufrieden ist, man will einfach gar nicht mehr raus, man ist nach der Arbeit froh, wenn man zu Hause ist, wenn man die nötigsten Sachen erledigt hat oder bekommen hat und weil, wenn man rausgeht, also man wird immer wieder damit konfrontiert. Man kann auch nirgend eigentlich hingehen, weil die, die Möglichkeiten einfach sehr gering auch gehalten sind oder auch sehr spät wegzugehen ist kaum mög..., unmög..., also es ist fast unmöglich in der DDR. Und um diesen ganzen Stress gar nicht erst auf sich zu nehmen bleibt man dann lieber zu Hause, ja. Und - ja.

Können Sie ein paar Beispiele geben von der Militarisierung in der Schule ganz von unten, also von Anfang, von den kleinen Kindern? Wie das konkret gemacht ist?

Also die Militarisierung fängt also schon im Kindergarten an, das heißt eben, dass eben zum Beispiel, wenn Spielsachen in den Kindergarten kommen auf jeden Fall Panzer und Soldaten immer dabei sind. Es gibt sonst nicht so großes Spielangebot, aber diese Dinge sind auf jeden Fall immer dabei. Es fängt also damit an, dass die Kinder eben Lieder lernen über die Soldaten, Bilder malen, dass man vielleicht auch einen Besuch in der Kaserne macht, Soldaten in den Kindergarten einlädt. Und in der Schule geht das eben weiter, dass man eben mit den Pionieren dann später, dann eben auch wieder in eine Kaserne geht, das Wissen, das man praktisch aus dem Kindergarten gewonnen hat vertieft, wieder neue Lieder lernt, dass in den Schulbüchern, eben, es werden Aufgaben gestellt, wo eben zum Beispiel eine Frage gestellt wird – „Der Panzer schießt eben 30 Meter weit und der andere 50 Meter, wieviel sind es eben zusammen?“ – das also die Kinder, also eigentlich immer wieder damit konfrontiert werden. Und auch später, wenn man eben seine Ausbildung beginnt und nachher in einem Betrieb arbeitet auch wieder mit diesen Dingen konfrontiert wird und – oder auf der Straße eben diese Losungen liest und es ist also - das ganze Leben besteht eigentlich aus diesen Dingen. Und man merkt mit der Weile sind schon viele Sachen nicht wahr und man nimmt diese ganzen Dinge auch nicht mehr wahr auf der Straße. Man geht eigentlich daran vorbei, es ärgert einen manchmal auch. Wer bewusst ist, zumindest bewusst denkt, der geht darüber hinweg und den interessiert das auch nicht mehr. Aber es gibt natürlich auch viele Menschen, die davon überzeugt sind und das ist eben das gefährliche - daran.

Ja Sie können gleich...

Ich habe meinen Ausreiseantrag am 1. August 1983 gestellt und habe nach einem Monat dann meine Arbeit verloren als Kindergärtnerin und war zwei Monate lang arbeitslos und habe dann aufgrund der Entlassung eine Arbeit in einem Betrieb zugewiesen bekommen und musste dort eben arbeiten als Sachbearbeiterin in einem VEB-Betrieb und habe acht Monate dort arbeiten müssen und konnte dann ausreisen.

Heike Grochel (.)

Heike Grochel

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